Coronavirus: Irreführung bei den Fallzahlen nun belegt
Bislang vermieden es das Robert Koch-Institut und die Bundesregierung, die Anzahl der wöchentlich in Deutschland durchgeführten Corona-Tests zu erheben und zu veröffentlichen. Stattdessen wurden mit aus dem Zusammenhang gerissenen Fallzahlen Angst und Panik geschürt. Amtliche Daten belegen nun erstmals, dass die rasante Zunahme der Fallzahlen im Wesentlichen aus einer Zunahme der Anzahl der Tests resultiert.
Ein Standpunkt von Paul Schreyer
Das Coronavirus gibt in Medien und Politik weiter den Takt vor. Tag für Tag wird die Öffentlichkeit mit hohen Zahlen neuer positiv Getesteter beunruhigt. Kamen am 9.3. noch 300 neue Fälle dazu, so waren es am 16.3. schon 1.900 und am 23.3. sogar 3.200 „Neuinfizierte“ (richtiger: positiv Getestete). Die Gesamtmenge der Fälle in Deutschland stieg in diesen zwei Wochen von etwas über 1.000 auf beängstigende 32.000. Aktuell (28.3.) sind es etwa 50.000.
Vermittelt wurde mit diesen Zahlen, dass das Coronavirus sich rasant über das Land ausbreitet. Mitten in diesem bedrohlichen Anstieg beschloss die Bundesregierung am 22.3. mit dem sogenannten „Kontaktverbot“ die massive und beispiellose Einschränkung der Freiheitsrechte – auf unbestimmte Zeit. Die Öffentlichkeit verharrte in Angststarre – und tut das zum großen Teil noch immer.
Wie schon in einem früheren Artikel erwähnt, ist die Entwicklung der Fallzahlen nur dann aussagekräftig, wenn diese fortlaufend ins Verhältnis zur Anzahl der jeweils durchgeführten Tests gesetzt werden. Mit anderen Worten: Wenn in einer Woche (oder in einem Land) 10.000 Tests durchgeführt werden und dabei 1.000 Infektionen festgestellt werden, in der nächsten Woche (oder in einem anderen Land) aber 20.000 Tests und 2.000 Infektionen, dann ist daraus keine höhere Ausbreitung des Virus abzuleiten, sondern nur eine größere Zahl der Messungen. Um Gewissheit über die fortlaufende Ausbreitung des Virus zu gewinnen, muss daher fortlaufend auch die jeweilige Zahl der durchgeführten Tests betrachtet werden.
Am Montag, dem 23.3. wandte sich Multipolar mit entsprechenden Anfragen an das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das BMG antwortete am Dienstag, dass es keine Meldepflicht für Tests gäbe, weshalb dem Ministerium die Gesamtzahl aller in Deutschland vorgenommenen Tests „nicht vorliegen“ würde.
Das RKI reagierte zunächst ausweichend und verwies auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Auf Nachfrage, ob das RKI diese Daten nicht selbst erhebe und wie es dann die Entwicklung der Ausbreitung des Virus und dessen Gefährlichkeit seriös abschätzen könne, schwieg die Behörde über mehrere Tage. Als wir am Donnerstag nochmals nachhakten, teilte eine Sprecherin mit:
„Zur Gesamtzahl der Tests gibt es Schätzungen. Sie liegen bei 300.000 bis 500.000 Tests pro Woche. Die Zahl der Erkrankungen pro Zeiteinheit lässt eine gute Einschätzung der Situation zu. Die Dunkelziffer kann durch Antikörpertests bestimmt werden, solche Tests sind in den kommenden Wochen zu erwarten.“
Da auch in dieser Auskunft keine konkreten Informationen zur Entwicklung der Anzahl der Tests mitgeteilt wurden, fragten wir erneut nach:
„Die Anzahl der Tests hat sich in den vergangenen Wochen aber aller Wahrscheinlichkeit nach stark verändert. Daher ist die isolierte Betrachtung der Fallzahlen wissenschaftlich kaum aussagekräftig, um die Veränderung der Gefährdung der Gesellschaft zu messen. Nochmals die Frage mit der Bitte um eine klare Antwort: Warum erhebt und veröffentlicht das RKI nicht auch diese Zahlen, so dass sich alle ein klareres Bild von der Situation machen können?“
Wieder kam erst keine Antwort, nach einem weiteren Nachhaken am Telefon dann aber am Freitagnachmittag schließlich die überraschende Auskunft, das RKI habe Daten dazu in seinem Lagebericht vom Donnerstag (26.3.) veröffentlicht. Offenbar war das der RKI-Pressestelle bei der Auskunft am Donnerstag selbst noch nicht bekannt gewesen.
Anzahl der durchgeführten Tests in einer Woche verdreifacht
Ein Blick in diesen Bericht zeigt nun erstmals: Der Anstieg der Fallzahlen wurde durch Regierung und Medien bislang stark irreführend präsentiert. Auf Seite 6 des Lageberichts findet sich eine Tabelle zur Anzahl der Tests in den Kalenderwochen 11 und 12 – das entspricht dem Zeitraum vom 9.3. bis zum 22.3. Daraus ist ersichtlich, dass in KW 11 fast 8.000 Personen in Deutschland positiv getestet wurden, in KW 12 fast drei mal so viel, knapp 24.000. Diese Zahlen sind aus den Medien bereits bekannt.
Was man bislang nicht wusste: Die Anzahl der durchgeführten Tests in Deutschland betrug in KW 11 knapp 130.000, in KW 12 aber fast 350.000. Nicht nur die Zahl der positiv getesteten Fälle hat sich also ungefähr verdreifacht, sondern auch die Menge der Tests. Die tatsächliche Steigerung der Fälle, bezogen auf die Anzahl der Tests, beträgt lediglich einen (!) Prozentpunkt: In Kalenderwoche 11 wurden knapp 6 % der Untersuchten positiv getestet, in KW 12 hingegen 7 %.
Diese Daten zur Entwicklung der Testmenge wurden im RKI-Lagebericht vom 26.3. erstmals aufgeführt – drei Tage nach der Multipolar-Anfrage. Behördenchef Lothar Wieler erwähnte in seiner Pressekonferenzmit Gesundheitsminister Jens Spahn am 26.3. diese neuen Informationen allerdings NICHT. Auch die Multipolar-Redaktion hätte sie wahrscheinlich übersehen, da auch wir nicht ständig den täglich neu erscheinenden etwa 10-seitigen RKI-Lagebericht lesen, und die Pressestelle der Behörde erst nach mehrfachem präzisen Nachfragen überhaupt darauf hinwies.
Im folgenden Lagebericht vom 27.3. wurden die Informationen übrigens wieder entfernt – sie finden sich also bislang ausschließlich im Lagebericht vom 26.3. Es scheint, als sei die Behörde nicht an einer größeren Verbreitung dieser Daten interessiert.
Änderung der Testkriterien
Am 25.3. änderte das RKI außerdem die Kriterien, nach denen Ärzte zukünftig entscheiden sollen, wer getestet wird. RKI-Chef Wieler sprach von einer „strategischen Maßnahme“. Die entscheidende Änderung: „Das bisherige Kriterium, dass Patienten in einem Gebiet mit COVID-19-Fällen gewesen sein müssen, entfällt“. Ein Fachjournal berichtet dazu:
„Nach wie vor gilt: Es sollen nur Menschen getestet werden, die respiratorische [die Atmung betreffende; P.S.] Symptome zeigen UND Kontakt zu einem bestätigtem COVID-19-Fall hatten, in der Pflege, einer Arztpraxis oder im Krankenhaus tätig sind oder einer Risikogruppe zugehören. Patienten mit akuten respiratorischen Symptomen, aber OHNE die oben genannten Zweitbedingungen, sollten nur getestet werden, wenn hinreichende Testkapazität verfügbar ist.“
Aus dem Wegfall eines Kriteriums folgt, dass sich die Anzahl der Tests – und damit der zu erwartenden neuen Fälle – weiter erhöhen wird, während die Beibehaltung der übrigen Zugangsbeschränkungen für den Test (Fokussierung auf Risikogruppen) dafür sorgen dürfte, dass die Sterblichkeitsrate zukünftig relativ hoch liegen wird. Es gibt vernünftige Gründe für diese Kriterien, dennoch sollte man die zu erwartenden Auswirkungen auf die zukünftigen Zahlen, die auch eine psychologische und damit politische Wirkung haben werden, im Auge behalten.
Den aktuellen Daten des RKI (27.3.) zufolge beträgt der Anteil der Verstorbenen an den positiv Getesteten 0,6 %. Deren Durchschnittsalter (!) liegt laut Aussage von RKI-Chef Wieler bei 81 Jahren. Daraus lässt sich kaum eine extreme Gefährdung für die gesamte Bevölkerung ableiten – zumal bislang völlig unklar ist, ob für den Tod in der Mehrzahl dieser Fälle tatsächlich das nachgewiesene Virus-DNA-Material ursächlich ist, oder aber andere Vorerkrankungen.
Probleme mit den PCR-Tests
Davon abgesehen, dass die verwendeten PCR-Tests bislang nicht amtlich geprüft und bewertet (validiert), sondern lediglich von miteinander kooperierenden Instituten befürwortet wurden, sind PCR-Tests generell mit großen Unsicherheiten behaftet, wie ein kürzlich veröffentlichter Beitrag erklärt:
„PCR ist ultra-sensitiv, das heißt, es lassen sich absurd niedrige Konzentrationen von DNA nachweisen. Andererseits ist die Methode nur mäßig spezifisch, weil PCR alles verstärkt, an das die Primer [beim Test verwendete DNA-Bausteine; P.S.] andocken können. Das ist der Fluch der PCR-Methode. Hier spielt zum einen die Probenreinheit hinein. Ist die zu untersuchende DNA ausreichend gereinigt, oder gibt es Reste von anderer DNA? (…)
Es bedarf zudem eines sogenannten Goldstandards, das heißt einer von PCR unabhängigen Methode, um nachzuweisen, dass PCR das Richtige verstärkt. Das sind in der Regel serologische Tests, die allerdings bei Viren schwierig sind, da Viren teilweise schwer zu kultivieren und zu isolieren sind. Man ist deshalb in den letzten Jahren, auch mangels Alternativen, dazu übergegangen PCR zu seinem eigenen Goldstandard zu erklären. Das ist äußerst fragwürdig. (…)
Schwierig wird es, wenn sich in einer Probe pathogene (krankmachende) und harmlose Viren befinden, die gegebenenfalls ähnliche Gensequenzen aufweisen. Waren die Primer ausreichend spezifisch oder gibt es Kreuzreaktionen der harmlosen Viren mit den Primern für die mutmaßlich gefährlichen Viren? Hier hilft häufig nur die Vermutung. (…)
Ob man mit PCR etwas findet oder nicht hat nichts mit der Frage zu tun, ob die betreffende Spezies, zu der die untersuchte DNA gehört, ursächlich für die Krankheit ist. (…) Es gibt eine Vielzahl von viralen Erregern, die leichte oder schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen können, zum Beispiel Grippeviren. Die müsste man in allen Fällen jeweils mit PCR nachweisen oder eben nicht, um sie auszuschließen. Jedoch, wenn man nur nach SARS-CoV-2 mit PCR schaut, wird man auch nur das finden oder eben SARS-CoV-2 zuordnen. Ob SARS-CoV-2 (ausschließlich) ursächlich für die Atemwegserkrankung ist, lässt sich damit nicht sagen. [Hervorhebung P.S.] (…)
Die Stimmung in der Biomedizin ist so: Alles was gefährlich bis tödlich scheint, treibt die Forschung voran. Und Forschung ist immer gut. Kann man denn jemals genug wissen? Jedoch statt Wissen zu schaffen, reicht es häufig genug nur bis zu einem einigermaßen widerspruchsfreien Konsens. Das stört, solange die Forschungsmilliarden und die Profite fließen, niemanden. (…) PCR-Diagnostik ist ein Milliarden-Markt. “
Alles in allem rechtfertigen die vorliegenden wissenschaftlichen Daten in keiner Weise die beschlossenen politischen Maßnahmen. Das Manipulationspotenzial – und damit auch die Versuchung es auszunutzen – ist zur Zeit groß. Die fortlaufende Fixierung auf die reinen Fallzahlen, ohne Einordnung in den Zusammenhang, und insbesondere die Entscheidung, diese Zahlen zur Messlatte der Politik zu machen, ist manipulativ und gefährdet aktuell den Bestand der Bürgerrechte in Deutschland und vielen anderen Ländern. Die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnt:
„Für bedenklich halte ich, dass das Gesundheitsministerium per Rechtsverordnung von allen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze abweichen kann. Gesetze sollen nur vom Parlament und nicht von der Exekutive quasi als Blankoermächtigung geändert werden. (…) Auch in Krisensituationen gelten die Gewaltenteilung und die Grundrechte.“
Dass die Regierung zunehmend autoritär und außerhalb von Kontrollinstanzen agiert, zeigt beispielhaft folgende Meldung vom 28.3.:
„Kanzleramtschef Braun schließt mögliche Lockerungen in den kommenden Wochen konsequent aus. (…) ‚Wir reden jetzt bis zum 20. April nicht über irgendwelche Erleichterungen‘, betonte der CDU-Politiker (…). Die Messlatte für schwächere Vorsichtsmaßnahmen sei die Geschwindigkeit, mit der die Infektionen zunähmen. ‚Zehn, zwölf oder mehr Tage‘ müsse es dauern, bis sich die Fallzahlen verdoppeln, dann könne über Lockerungen debattiert werden, so Braun weiter. Derzeit dauere es etwa drei Tage, bis sich die Krankheitsfälle verdoppeln.“
Damit liegt der Ball beim Robert Koch-Institut. Man kann sich denken, wie groß der politische Druck auf die Wissenschaftler dort derzeit ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 28.03.2020 bei multipolar magazin